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Geschichte                                                                                                                                                                                                                  Prädikat „Ausgewählter Ort 2011“  Projektmarke „365 Orte im Land der Ideen."       

 

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Die Anfänge

recherchiert von Michael Hölters

Schon seit dem frühen 18. Jahrhundert ist die bei Schafen auftretende Traberkrankheit (engl. Scrapie) eine ähnliche Erkrankungsweise wie bei BSE, bekannt. Scrapie kommt von scrape (Englisch: kratzen), da sich erkrankte Tiere die Wolle vom Leib scheuern, kratzen und nagen, sie werden außerdem blind und zeigen Muskelzittern .Übertragen wird Scrapie mit der Futteraufnahme bzw. durch Ablecken und Fressen der Nachgeburt. Die Inkubationszeit beträgt bis zu fünf Jahren. Erkrankte Schafe sterben binnen sechs Monaten. Sie ist die erste Krankheit, welche von der Wissenschaft als Prionenerkrankung identifiziert wurde.

1920 entdecken der Kieler Neurologe Hans G. Creutzfeldt (1885–1964) und der Hamburger Neuropathologe Alfons M. Jakob (1884–1931) eine tödliche, später nach ihnen benannte Hirnkrankheit (Creutzfeldt-Jakob-Krankheit CJK oder englisch CJD), die mit den Symptomen Depressionen, Bewegungsstörungen, Muskelstarre und Schluckstörungen auftritt. Das Haupterkennungszeichen ist jedoch ein sehr rascher Persönlichkeitsverfall mit Demenz. Mediziner beschreiben die Krankheit als "Alzheimer im extremen Zeitraffer ".

1957 erforscht der amerikanische Kinderarzt und Virologe Carleton Gajdusek eine rätselhafte Todesserie von Einwohnern auf Papua-Neuguinea. Dort sterben jährlich hunderte Menschen an CJD, die von den Eingeborenen „Kuru" genannt wird. Als Auslöser erkennt er rituelle Handlungen bei Beerdigungen, bei denen das Gehirn der Verstorbenen verspeist und zum Einreiben der Körper verwendet wird. Gajdusek vermutet als Erreger einen „slow virus". Für seine Untersuchungen diesbezüglich erhielt Gajdusek 1976 den Nobelpreis für Medizin. Heute wissen Wir, daß Kuru – wie BSE und CJD – eine Prionenkrankheit ist.Es werden die Prionen entdeckt – infektiöse Proteine, eine völlig neue Erregerklasse.

Um 1974 erkranken in Großbritannien rund 100.000 Schafe an der Traberkrankheit (Scrapie). Der damalige Premierminister Harold Wilson entscheidet, sie töten und zu Tiermehl verarbeiten zu lassen. Das Tiermehl wird, um Geld zu sparen, geringer erhitzt sodass die Erreger von Scrapie im Futter überleben können und so als Kraftfutter an gesunde Rinder verfüttert worden sind. Der BSE- Erreger entsteht, was aber seit Mitte der neunziger Jahre bezweifelt wird. Eine genaue Untersuchung von Scrapie- und BSE- Prionen zeigt, daß kaum Ähnlichkeit besteht.

Am 22. Dezember 1984 tritt der erste BSE Fall auf. Der Tierarzt David Bee untersucht die torkelnde „Kuh 133" auf der Stent Farm in Sussex, welche 6 Wochen später stirbt. Die Diagnose lautet „Spongiforme Encephalopathie".

Im April 1985 treten die ersten BSE-Fälle bei Rindern auch in der Grafschaft Kent in England auf. Es geschieht nichts. Der britische Landwirtschaftsminister Michael Jopling (Amtszeit 1983–1987) lässt erst 20 Monate verstreichen, bis er Notschlachtungen anordnet.

1986 wird britischen Forschern klar, daß die torkelnden Rinder von einer völlig neuen Krankheit befallen sind. Sie nennen diese Rinder- Krankheit „Bovine Spongiforme Enzephalopathie" (BSE).

Im November des selben Jahres tritt in Großbritannien der erste offizielle Fall einer an BSE-erkrankten Kuh auf. Erst 10 Jahre später – im März 1996 – wird die britische Regierung öffentlich eingestehen, dass vom Rinderwahnsinn Gesundheitsgefahren für den Menschen ausgehen.

Im Juni 1987 sind bereits 4 Rinderherden in Großbritannien von BSE befallen. Das Central Veterinary Office alarmiert das britische Landwirtschaftsministerium (MAFF).

Der britische Mikrobiologe Dr. Stephen Dealler veröffentlichte einen Artikel über die großen Gefahren von BSE-belastetem Rindfleisch (beef). Daraufhin werden ihm sämtliche staatlichen Forschungsgelder gestrichen – ohne jegliche Begründung.

Am 5. November berichtet das britische Wissenschaftsmagazin New Scientist erstmals über BSE: „Brain disease drives cows wild". Im Oktober 1987 beschreibt ein Forscherteam in The Veterinary Record (Band 121, Seite 419) die BSE-Symptome und  die BSE-Pathologie.

Im Tierexperiment gelingt im November des selben Jahres die Übertragung von BSE auf Mäuse. Ein Überspringen der Artenschranke kann nicht mehr ausgeschlossen werden.

Im Dezember deuten wissenschaftliche Untersuchungen auf das in großen Mengen in Großbritannien verfütterte Tiermehl (Kadavermehl) als BSE-Infektionsquelle hin . Das Land Schweden verbietet (auch aus ethischen Gründen ) die Verfütterung von Tiermehlen (MBM) an die von Natur aus nur pflanzenfressenden Rinder.

Im Jahr 1988 sind bereits 2.100 Rinder in Großbritannien an der BSE-Seuche verendet.

Die USA erlassen ein Importverbot für britisches Rindfleisch.

Im Mai 1988 setzt die britische Regierung eine Expertengruppe unter der Leitung des Zoologie-Professors Richard Southwood ein. Diese soll die Folgen von BSE für die menschliche Gesundheit beurteilen. Im Februar 1989 legen diese Experten den „Southwood-Report" vor.

Im Juli 1988 kommt eine staatliche Studie zum Ergebnis, dass die Praxis des Verfütterns von eiweißreichen Tiermehlen (von Rinder- und Schafs-Kadavern) die einzig mögliche Ursache von BSE sei. Dieser Kannibalismus wird verboten. Man wusste bereits, dass BSE eine Prionenkrankheit ist.

Im August 1988 ordnet der britische Landwirtschaftsminister John Mac Gregor (Amtszeit 1987–1989) an, dass nur Rinder mit akuten BSE- Symptomen (Gleichgewichtsstörungen, Krämpfe) getötet werden. Das Rindfleisch aller anderen BSE- infizierten Tiere kommt weiterhin in den Handel. Einen BSE-Test gibt es noch nicht.

Im Oktober 1988 wird die Übertragung der Rinderseuche BSE auf Mäuse wissenschaftlich bewiesen. Dies bedeutet, dass BSE die Artenschranke überspringen kann. Dennoch klammert sich die Southwood-Kommission an Erfahrungen mit Scrapie (für Menschen harmlos) und entscheidet sich nicht für die sichere Seite, sondern zu der Annahme, dass eine Übertragung von BSE auf den Menschen „unwahrscheinlich" sei.

Im Januar 1989 wird der 1. BSE-Fall aus Irland gemeldet.

Das BSE-Risiko für den Menschen wird im Februar im britischen Southwood-Report als „verschwindend klein" angegeben. Es wird empfohlen, in Baby-Nahrung künftig keine Rinder-Innereien mehr zu verwenden. In offiziellen Statements von Politikern der Regierungen Thatcher und Major wird daraus alsbald die absolute Entwarnung was eine fatale Fehleinschätzung ist.

Im Mai 1989 stoppt Deutschland den Import von Tiermehlen aus Großbritannien und im Juli verhängt die EU ein Exportverbot für britische Rinder, die vor dem 18. Juli 1988 geboren wurden, sowie für Kälber von BSE- verdächtigen Kühen.

Die britische Regierung verfügt ein Massenschlachtungs-Programm für alle suspekten Rinder. Den Bauern wurde für jedes bestätigte BSE-Rind lediglich eine Ausgleichszahlung von 50 % des Wertes gewährt. Dies ist eine fatale Fehlentscheidung, da viele Bauern ihre Rinder illegal schlachten. So landet das Rindfleisch vieler infizierter Tiere auf den Esstellern. Erst ab 1990 zahlt die Regierung 100 %. Gegen Ende des Jahres entdeckt der britische Neuropathologe Dr. Robert Perry, dass BSE auch auf den Menschen übertragbar ist. Der Export von Rinderinnereien wird erst auf Druck des Auslands von dem britischen Landwirtschaftsminister John Selwyn Gummer verboten. Dieser verzehrt vor laufenden TV-Kameras mit seiner 4-jährigen Tochter demonstrativ Hamburger mit der Begründung, dass das „British beef" absolut sicher sei.

 

Die Entwicklung seit 1990

recherchiert von Jessica Neweling

Bis zum Jahr 1990 waren bereits 10.000 britische Rinder und Kälber mit BSE infiziert und pro Woche kamen ca. 300 neue Tiere hinzu, was den obersten Gesundheitsbeamten Englands Sir Donald Acheson jedoch nicht davon abhielt, aus seinem Heimatland stammendes Fleisch weiterhin als „das sicherste der Welt" zu bezeichnen (16.Mai). Als im selben Jahr die Seuche auch in Frankreich erstmals auftrat (die ersten Fälle bekannt wurden), veranlasste dies den EU- Kommissionsvorsitzenden Jaques Delors, ein Exportverbot für britische Rinder, die älter als sechs Monate waren, sowie eine Meldepflicht für alle BSE- Erkrankungen einzuführen.

Diese Maßnahmen traten am 6.März 1990 in Kraft, wurden jedoch später wieder gelockert bzw. aufgehoben, obwohl mit der Erkrankung einer Siam- Katze, dem ersten Auftreten der felinen Version von BSE, deren Ausbreitung unter englischen Hauskatzen dazu führte, dass selbst im Katzenfutter kein Risikomaterial mehr verarbeitet werden dürfte, eine Übertragung auf den Menschen nicht mehr auszuschließen war. Die Wahrscheinlichkeit dafür stieg an, nachdem in einem wissenschaftlichen Experiment die orale Übertragbarkeit auf Mäuse nachgewiesen werden konnte.

Aufgrund des EU- Beschlusses vom 7.Juni 1990 der besagte, dass Rindfleisch von BSE- befallenen Beständen exportiert werden dürfe, wenn zuvor Risikomaterial entfernt worden sei, führte dazu, dass Bundeslandwirtschaftsminister Ignatz Kiechle das, sechs Tage zuvor verhängte Importverbot für lebende Rinder aus Großbritannien, wieder aufheben ließ.

Im Oktober 1990 wurde ein Verbot von Tiermehlen im Bundeslandwirtschaftsministerium als „entbehrlich" eingestuft, zwei Monate später dann für die Verfütterung an Rinder, Schafe und Ziegen schließlich doch erlassen, da bei einem am 2. November 1990 in der Schweiz erkrankten Tier eine Ansteckung durch infiziertes Tiermehl vermutet wurde.

 

1991 wurde dank des britischen Biobauern Mark Purdey eine evtl. Ursache für die Verbreitung von BSE gefunden: Es stellte sich heraus, dass das zur Bekämpfung der Dasselfliege bei Rindern eingesetzte sog. Nervengift Phosmet höchstwahrscheinlich die Fähigkeit besitzt, Prione in Giftstoffe umzuwandeln.

Neben dem ersten, nach Wirksamwerden des Tiermehlverbots geborenen, mit BSE infizierten Rind (März) wurde auch von einer Frau aus Endelsheim berichtet, bei der durch eine Hirnuntersuchung der Verdacht auf die Creutzfeldt- Jakob Krankheit (CJD) bestätigt wurde. Nicht ganz klar ging aus diesen Berichten hervor, ob es sich dabei wirklich um die neue Variante (nvCJD) handelte.

Zahlen aus 1992: über 2500 neu-infizierte Rinder monatlich, insgesamt starben allein in diesem Jahr 37.280 Rinder

Über den Tod eines, an BSE erkrankten, importierten Schottisch-Highland-Rindes im Februar in Schleswig- Holstein klärte das Bundeslandwirtschaftsministerium die Bevölkerung erst zwei Jahre später auf. Als Vorsichtsmaßnahme wurde lediglich ein neues Labor in der Bundesforschungsanstalt der Viruskrankheiten der Tiere in Tübingen eingerichtet, das dazu diente, deutsche BSE- Fälle zu bestätigen.

Die Entwicklung eines Tests zur frühzeitigen Erkennung einer BSE- Erkrankung beim Rind auch ohne erkennbare Anzeichen führte für den Mikrobiologen Harash Narang aus New Castle zur Streichung seiner Forschungsgelder und später sogar zu einer Kündigung.

Gleiches passierte 1993 der deutschen Tierärztin Dr. Margit Herbst, nachdem sie auf einem Schlachthof in Schleswig- Holstein einundzwanzig Rinder mit BSE- Symptomen vorgefunden und in der Öffentlichkeit eine gründliche Untersuchung der Tiere verlangt hatte.

Eine weitere Tierärztin namens Kari Köster-Lösche aus Nordfriesland, die auch ein Buch über die Gefahren von BSE geschrieben hat, das 1995 beim Ehrenwirt-Verlag erschienen ist, gab zu Bedenken, dass keiner der EU- Mitgliedsstaaten mit Ausnahme Englands bereit war, auf die Verarbeitung von Rindertalg zu Babybrei zu verzichten.

Nachdem man inzwischen mittels eines Experiments die Gefahr einer Übertragung von BSE auf neunzehn andere Tierarten, z.B. Katzen, Hamster und Meerschweinchen, festgestellt hatte, war in einem Artikel der „Spiegel"-Ausgabe vom 29.März in Ansätzen von Prionen als Erregern der Seuche die Rede (Heft 13/93).

Anderen, wie z.B. dem EU-Agrarkommissar René Steichen, schien (zu diesem Zeitpunkt) der zu befürchtende Rückgang des Rindfleischkonsums größere Sorgen zu bereiten, als die Gesundheit der „gesamten Gemeinschaft". Er hielt von daher eine öffentliche Debatte über das Thema BSE für „gefährlich" (Zitat aus einem Brief an das deutsche Gesundheitsministerium).

1994 wurde von dem Mikrobiologen Dr. Stephen Dealler eine Seite mit Informationen über BSE und CJD ins Internet gestellt. Adresse: www.airtime.co.uk/bse/welcome.htm

Außerdem konnte bewiesen werden, dass BSE über die Nahrung auf Rinder übertragbar ist. Trotzdem wurde die Forderung von Ex-Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer nach einem Importverbot für Rindfleisch aus Großbritannien abgelehnt, da sich die Minister der EU dagegen aussprachen. Der niedersächsische Landwirtschaftsminister hielt es ebenso wenig für nötig dem Hinweis eines Kieler Zoologie-Professoren nachzugehen und gründlich nach einer Infektionsgefahr für erkrankte Importrinder direkt in Deutschland zu suchen.

Aufgrund des Geständnisses seitens der britischen Regierung vom Juni, man habe sich dem seit 1988 geltenden Tiermehlverbot widersetzt und weiterhin Schafsinnereien an Rinder verfüttert, wurden erneut Forderungen nach einem Einführverbot laut (Umweltministerin Klaudia Martini). Stattdessen wurde für einige Bundesländer ein Schlachtverbot für britische Rinder ab einem Alter von sechs Monaten erwirkt, was H. Seehofer im Juli, als auch er das Importverbot vor der EU nicht durchbringen konnte, allerdings weitgehend wieder aufhob.

In einem Gesetz der EU vom 27.Juni wurde schließlich die Fütterung von Tiermehl an Wiederkäuer (Rinder und Schafe) verboten. An Schweine, Hühner und andere Tiere dürfte es weiterhin verfüttert werden. In der BRD galt dieses Verbot bereits seit der Änderung der Viehverkehrsordnung am 18. März 1994.

Mit dem 19-jährigen Stephen Churchill wurde im Mai 1995 in Großbritannien das erste Todesopfer der neuen Variante der CJD gemeldet, die sich von der früheren Form nicht nur durch das Alter der erkrankten Personen unterscheidet, sondern auch dadurch, dass sie alle Neuronen zerstört und das Gehirn in einer schwammartige Struktur zerfällt- wie die Untersuchung eines Pathologen an der CJD- Überwachungsstelle in Edinburgh ans Licht brachte. Im gleichen Jahr kamen noch zwei weitere Fälle dieser Krankheit hinzu.

Die Bundesländer verweigerten eine von Seehofer geplante Massenschlachtung aller von GB nach Deutschland importierten Rinder und stützten sich dabei auf die fehlende Rechtsgrundlage.

Da er keinen „Alleingang" wollte, reagierte Bundeslandwirtschaftsminister Jochen Borchert allen Warnungen zum Trotz vorerst nicht mit Einfuhrbeschränkungen.

Erst als im November Kontrolleure des britischen Landwirtschaftsministeriums darüber informierten, dass die Betreiber einiger englischer Schlachthöfe sich nicht an Gesetze aus dem Jahr 1988 gehalten hatten, d.h. weiterhin als hochinfektiöses Risikomaterial geltende Nervenstränge vertrieben worden waren, beschloss der Bundesrat als Reaktion darauf im Dezember ein endgültiges Importverbot für Rinder aus England. Kurz zuvor war dort noch eine Werbekampagne mit dem Titel „Beef is safe" gestartet worden.

Als wahrscheinlichste Ursache der nvCJD, der bis Mitte März 1996 bereits zehn Briten zum Opfer gefallen waren, wurde der Verzehr prionenverseucher Rindfleischprodukte vermutet und deshalb das britische Parlament eingeschaltet. Premierminister John Major gab am 15.März erstmals in der Öffentlichkeit zu, dass ein Zusammenhang zwischen BSE bei Rindern und der nvCJD, an der auch Menschen erkranken können, bestehe.

Das bereits bestehende EU-weite Exportverbot wurde am 27.März zum Schutz der Verbraucher in ein weltweites umgewandelt und auf Rinder, Rinderprodukte und Tiermehl aus Großbritannien ausgeweitet. Des Weiteren wurde im April von der EU bestimmt, ca. vier Millionen britische Rinder ab einem Alter von dreißig Monaten zu vernichten.

Schon 1996 gab es Hinweise der bereits erwähnten Ärztin Köster-Lösche auf eine Infektionsgefahr von Kälbern durch Trockenmilch, auf die jedoch der österreichische EU-Agrarkommissar Franz Fischler nicht reagierte.

Im April gab Borchert dann (fatalerweise) „BSE-Entwarnung" für Deutschland, zu einer Zeit, als das Risiko sich mit BSE zu infizieren für Menschen am Größten war.

In Florenz verhandelten die Staats- und Regierungschefs auf einem EU-Gipfel darüber, das Exportverbot Schritt für Schritt aufzuheben. Am 17.Juni 1996 wurde ein Untersuchungsausschuss gebildet, der sich darum kümmern sollte, über von der EU-Kommission bisher übersehene Fakten zu informieren.

Von der EU vorgeschrieben mussten seit dem 18.Juli 1996 als Schutzmaßnahme alle Tierabfälle (Kadaver) vor der Weiterverarbeitung ein bestimmtes Verfahren durchlaufen, bei dem sie zwanzig Minuten unter einem Druck von drei bar auf 133° C erhitzt wurden, um so die Prionen abzutöten.

Der im Dezember 1996 gemachte Vorschlag der EU-Kommission, im ganzen Gebiet der EU keine Risikomaterialien von Wiederkäuern ab einem Alter von zwei Jahren mehr über Nahrungsmittel (Tiermehl) in Umlauf zu bringen, wurde, aufgrund der starken Agrarlobby (vor Allem in Deutschland), nicht angenommen.

Dieser Entschluss (kein Verarbeitungsverbot von Risikomaterial) stieß sowohl bei Borchert als auch beim Deutschen Bauernverband auf Zustimmung.

Erste Berechnungen des Mikrobiologen Richard Lacey zum Fortschritt der Seuche prognostizierten für das Jahr 2010 in etwa 500.000 CJD-Kranke auf der ganzen Welt.

Dies wurde im Januar 1997 von britischen Forschern bestätigt, die allein in England, wo es mittlerweile vierzehn Tote aufgrund der Krankheit gab, von 10.000 – 80.000 Opfern ausgingen.

In diesem Jahr entstand auch die sog. Prionics AG aus einem Forschungsprojekt der Universität in Zürich, die von dem Naturwissenschaftler Dr. Bruno Oesch, dem Molekularbiologen Dr. Markus Moser und Dr. Carsten Korth gegründet wurde.

Dr. Oesch war nach seiner Doktorarbeit zum Thema Prionenforschung schon für die Max-Planck Gesellschaft in Tübingen tätig gewesen und hatte, während eines mehrjährigen Amerikaaufenthaltes, mit Prof. Dr. Prusiner zusammengearbeitet. Ziel der Prionics AG war u.a. die Vermarktung eines BSE-Schnelltests. Im Januar 2000 wurde dort auch der strukturelle Unterschied von BSE-Prionen im Vergleich zu „normalen" Prionen entschlüsselt.

Wegen des Abschlussberichtes eines BSE- Untersuchungsausschusses, in dem der EU-Kommission und dem Ministerrat vorgeworfen worden war, sich nicht eingehend mit der BSE- Thematik beschäftigt zu haben, kam es zur Androhung eines Misstrauensvotums seitens des Europaparlamentes, die jedoch bereits im November wieder zurückgenommen wurde.

Wieder einmal wurde deutsches Rindfleisch als „sicher" bezeichnet. Diesmal vom Geschäftsführer der Aktionsgemeinschaft deutsches Fleisch, Peter Hamel.

Nach den Feststellungen des Chemikers Klaus Hofmann, der für die Bundesanstalt für Fleischforschung (BAFF) arbeitete und bei einer Untersuchung im Fernsehen sechs der neunzehn getesteten Tiermehlsorten aus Deutschland als nicht sicher einstufte, verlangte dessen Vorgesetzter, der Staatssekretär Franz-Josef Feiter von ihm, diese Aussage richtig zu stellen.

Am 3.Juli wurde von der EU-Kommission ein Skandal aufgedeckt, indem bekannt wurde, dass 1600 Tonnen Rindfleisch auf illegalem Weg England verlassen hatten.

Dies setzte sich im August fort, als herauskam, dass ein Kaufmann aus Hamburg britisches Fleisch –wiederum illegal- nach Deutschland importiert hatte und das meiste davon bei seiner Ergreifung schon verkauft, und damit in die Nahrungskette gelangt, war.

Von dem enormen Engagement, mit dem der neue Premierminister Englands Tony Blair nach seiner Wahl die Aufklärung des BSE-Skandals in seinem Land angehen wollte, ist bis heute recht wenig zu spüren.

Am 26.September bestätigten Forscher der CJD- Überwachungsstelle in Edinburgh, dass es sich bei der neuen Variante der Creutzfeldt- Jakob-Krankheit um eine menschliche BSE-Form handelt („Human BSE").

Im Dezember erhielt der US- amerikanische Neurologe Stanley B. Prusiner für die Entdeckung von Prionen als Erregern von Krankheiten (u.a. BSE und CJD) den Nobelpreis für Medizin.

David Tyrreell (Mediziner und Ex-Vorsitzender einer Expertenkommission zum Thema BSE)

erklärte 1998 auf Nachfrage nach seinen Essgewohnheiten, er esse seit der Krise „eher mehr Rindfleisch".

Im März startete Sir Nicholas Phillips mit einer unabhängigen Kommission eine Langzeitstudie, die...

Am 31.März zeigte sich Deutschland (mit Jochen Borchert) erneut als einer der Hauptbremser, als es um die Vernichtung von Risikomaterialien zur Vorsorge ging.

Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber präsentierte sich bei einer Rede im April als stolz darauf, 1996 dafür gesorgt zu haben, dass sich ein Verbot von Risikomaterialien nicht durchsetzen konnte.

Am 23.April führte die EU BSE-Schnelltests ein, fast gleichzeitig wurde jedoch am 1.Juni die Erlaubnis zum Fleischexport aus Nordirland wieder erteilt und sich im Juni nur über zu ungenaue Fleischkontrollen in Deutschland beschwert.

Obwohl es bis Ende 1997 in Großbritannien schon dreiundzwanzig menschliche BSE-Opfer gegeben hatte, wurde das Gesetz zur Tötung von britischen und schweizerischen Rindern vom Verwaltungsgericht wieder aufgehoben. Grund: BSE könne von einem durch verseuchtes Futter infiziertem Tier nicht auf andere Tiere (und Menschen) übertragen werden und sei deshalb auch keine Seuche.

Da aus Portugal 197 - innerhalb einer Zeitspanne von acht Jahren aufgetretene Fälle - von BSE gemeldet worden waren, wurde es im November per Gesetz verboten, Fleisch von dort zu exportieren. Dieses Verbot hielt allerdings nur wenige Wochen, bevor es am 25.November 1998 im Grundsatz wieder aufgehoben wurde.

 

Die Schweiz dehnte im Februar 1999 die vorsorglichen BSE-Testreihen aus...

In Deutschland wurden vom 2.März bis zum Juni 2000 fünftausend Rinder mit dem, von Umweltministerin Bärbel Höhn eingeführten, Prionics-Schnelltest untersucht, ohne einen BSE-Verdachtsfall zu finden.

Im Juni war zusätzlich – abseits der sich ausweitenden BSE-Krise- auch von mit Schmierölen verseuchten Hühnern, den sog. „Dioxin Hühnern" die Rede, ein weiterer Unsicherheitsfaktor für die deutsche Bevölkerung.

Der von der EU-Kommission am 14.Juli getroffene Beschluss, das weltweite Exportverbot für britisches Rindfleisch nach ca. drei Jahren der Wirksamkeit wieder aufzuheben wurde am 1.August in die Tat umgesetzt. Frankreich hatte zuvor, am 9.Juni, gefordert, Tiermehle europaweit zu verbieten.

Die USA verboten im August sogar Blutspenden von Leuten, die im Zeitraum zwischen 1980 und 1997 ein halbes Jahr oder länger in Großbritannien verbracht hatten.

Nachdem eine Expertenkommission der EU die Bedenken gegen britisches Rindfleisch am 29.Oktober zerstreut hatte und deutsches Fleisch- wieder einmal völlig zu Unrecht- als „sicher" bezeichnet worden war (Fleischerinnungsmeister von Berlin und Brandenburg Uwe Bünger), konnte das britische Parlament sich berechtigte Hoffnungen auf eine baldige Aufhebung der Exportverbote machen.

 

Maßnahmen der Europäischen Kommission zum Schutz gegen BSE:

1. Entfernung der gesamten Wirbelsäure bei Schlachtrindern

Die Wirbelsäure aller über 12 Monate alter Schlachtrinder muss entfernt und vernichtet werden. Einige Länder der EU können von der Regelung ausgenommen werden, wenn sie das Verfütterungsverbot von Fleisch-und Knochenmehl, die Entfernung der spezifischen Risikomaterialien und eine effektive Überwachung nachweisen können.

 

2. Verbot von Seperatorenfleisch von Rinder-, Schafs- und Ziegenknochen

 

3. Hitzebehandlung von Talg zur Verfütterung an Wiederkäuern

 

4. Hydrolysierte Proteine

 

 

 

 

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Stand: 10. Februar 2012